Singlebörsen haben sich ihren Platz in unserer Gesellschaft erarbeitet. Sie sind aus unserem digitalen, sozialen Leben kaum noch wegzudenken. Aktuelle und kommende Generationen leben den Luxus der zwei Leben. Eines führen wir IRL, im richtigen Leben, aber das zweite Leben leben bereits viele von uns in der digitalen Welt. Wir teilen unsere Urlaubserlebnisse und kleinere, ja sogar größere und wichtige Ereignisse mit Freunde über soziale Netzwerke. Facebook hat über 1 Milliarde Mitglieder und jeden Tag werden es mehr. Wir nutzen dieses zweite Leben um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, egal wo die sich gerade befinden, oder wir halten uns mit Klatsch und Tratsch auf dem laufenden. Wir gratulieren zu Geburtstagen, der Geburt oder zur Hochzeit. Im Prinzip leben wir tatsächlich ein zweites Leben im digitalen Netz. Ist es da nicht logisch sich auch dort nach einem möglichen Partner umzusehen?
Immer mehr Frauen und Männer wollen nichts dem Zufall überlassen und nutzen eben jenes zweite Leben, um die eigenen Chancen zu erhöhen. Es ist dabei egal, ob man dabei nur nach einem schnellen Flirt sucht, oder gar den Traumpartner finden will. Aber was, wenn der vermeintliche Traumpartner zum Alptraum wird?
Natürlich gibt es extrem viele anständige Menschen, die sich auf solchen Singlebörsen aus den selben Gründen herumtreiben, wie man selbst. Auf der Suche nach einem Partner oder einer Partnerin. Aber wie im richtigen Leben so gibt es auch im Internet schwarze Schafe. Tief schwarze Schafe. Individuen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, Menschen auszubeuten, mit ihnen zu spielen und sie auf die eine oder andere Weise auszunehmen. Wie das? Fragt sich der ein oder andere vielleicht.
Nun, um es ganz einfach auszudrücken, alles ist heute eine Ware. Egal welche Informationen man preis gibt, ob über sich oder über die Arbeit, alles kann verwertet und analysiert werden. Und das wird es auch. Amazon optimiert damit seine Werbeanzeige, Google versucht bessere Produkte zu erfinden und schon vorher zu wissen, was man gerne suchen möchte. Kaufhäuser optimieren damit ihre Warenplatzierung und die Industrie passt ihre Produkte an die neuen Trends an. Aber was macht man mit den Infos über meine Hobbys? Was kann mein Gegenüber damit anfangen, zu wissen, was mein Lieblingsessen ist? Was hat er für einen Vorteil zu wissen, wie meine Arbeitsgewohnheiten sind oder auf welche Filme ich stehe? Wir erinnern uns an den ersten Satz in diesem Abschnitt „alles ist heute eine Ware“. Du als Mensch, dein ganzes Leben kann für jemanden eine wertvolle Ware sein. Nicht jeder versucht mit den Informationen neue Produkte zu verkaufen. Die Wohl harmloseste Variante der „negativ Wirkung“ des gläsernen Menschen ist die, wenn man sich von seinen Suchen auf Amazon verfolgt fühlt. Das ist bestimmt den Meisten schon aufgefallen. Du suchst etwas auf Amazon und Minuten später tauchen auf anderen Seiten, zum Thema passende, Werbebanner auf. Nur was hat Amazon mit einer Singlebörse zu tun? Nichts. Es soll die harmlose Variante vermitteln. Das was die Industrie mit solchen, teils intimen Informationen anfängt. Mein Gegenüber in einer Singlebörse, mein vermeintlich perfekter Match, der scheinbar so gut zu mir passen soll, kann mit diesen Informationen wesentlich schädlicher Dinge anstellen als mir lieb sind.
Der Fluch des Flirts
Beim Flirten geben wir unserem gegenüber immer etwas über unser Privatleben preis. Ob dies nun in einer Bar geschieht, auf der Straße oder im Internet. Dafür sind Flirts ja da. Den gegenüber ansprechen, das Interesse wecken, sich kennenlernen, Gemeinsamkeiten finden und bei Sympathie die Bekanntschaft zu vertiefen. Um sich kennenzulernen muss man sich öffnen und dem Gegenüber etwas von sich preis geben. Privates, dass man mit seinen engsten Freunden teilt, vielleicht auch mal intimes, dass man nicht einmal mit den engsten Freunden teilen würde. Man erzählt über sich, versucht sich interessant zu machen, denn schließlich ist das Ziel, wenn die Sympathie vorhanden ist, sich näher zu kommen. In genau diesen Momenten, wenn wir es eigentlich gar nicht erwarten, sind unsere Persönlichen Daten, unser Privatleben, unsere Geheimnisse und intimsten Vorlieben am verwundbarsten. Preisgegeben und dem Willen unseres Gegenübers ausgesetzt. Solange unser Gegenüber die selben Absichten hat wie wir, ist dies kein Problem. Jeder gibt dem Anderen die selben persönlichen Informationen preis, was somit einem Patt gleich kommt. Außerdem will man ja zeigen, dass man vertrauenswürdig und eine gute Wahl ist. Was wenn aber unser Gegenüber andere Ziele hat? Wenn wir auf einen Betrüger oder eine Betrügerin reinfallen? Welchen Schaden kann eine solche Person anrichten?
Nun der Schaden reicht von einer Flut von SPAM E-Mails im eigenen Postfach, über kleine finanzielle Unterstützungen, bis hin zu Erpressung und Firmenspionage. SPAM E-Mails kennen wir alle. Sie sind ebenso lästig wie ihre Pendants im echten Briefkasten, aber solange man Vorsicht walten lässt, kosten sie nur Lebenszeit, um sie auszusortieren. Ganz wie im richtigen Leben eben auch. Gefährlicher wird es da schon beim nächsten Punkt. Die kleinen Gefälligkeiten fangen mit winzigen Vertrauenstests an und steigern sich dann zu teils erheblichen Beträgen. Das ganze ist mit einem deutlichen Aufwand verbunden, denn man kann ja nicht einfach so fragen, ob man mal einfach so 100 € oder 300 € bekommen könnte. Selbst der Vertrauenstest, der mit Kleinigkeiten anfängt, kann erst dann versucht werden, wenn das Opfer bereits weitestgehend eingewickelt ist. Liebe macht Blind. Andere würden nun vermutlich sagen, Liebe macht blöd, angesichts der Tatsache, dass wir mit gesundem Menschenverstand niemals 100 € einem wildfremden Menschen geben, den wir nie persönlich getroffen haben und bei dem wir nicht sicher sind, ob wir ihn häufiger sehen werden. Seinen wir ehrlich, wir würden nicht einmal 2 € einem Wildfremden geben. Wieso sollte also jemand dies tun?
Scammer (Betrüger/in)
Sogenannte Scammer (engl. Geschlächstneutral für Betrüger/in) arbeiten nicht an dem schnellen Geld. Ihr Plan benötigt etwas Zeit. Meist vergehen viele Tage und etliche E-Mails, bis der Versuch gewagt wird. Als erstes muss der Scammer ein Vertrauensverhältnis aufbauen, dann muss er dieses ausdehnen und bei seinem Gegenüber Gefühle wecken. Der perfide Plan gelingt durch falsche Identitäten, eine nette, fast schon zuvorkommende Art und „echten“ Fotos. Natürlich darf auch eine umfangreiche Lebensgeschichte nicht fehlen. Wirklich alles, die Lebensgeschichte, die Fotos und die Angaben auf den Datingportalen, sind eine Lüge. Die Fotos stammen in der Regel von einer realen Person, die nichts mit dem Scammer zu tun hat und ebenfalls nur ein Opfer ist. Der Lebenslauf ist erfunden oder aber ebenfalls „gestohlen“. Das einzige was echt ist, ist die Gefahr und die Gefühle des Opfers. Mit den richtigen Worten, verbalen Vertrauensbeweisen, psychologischen Manipulationen und passenden Fotos wird so eine emotionale Situation geschaffen, in der beim Opfer die Gefühle beginne zu wachsen. Ist das Opfer soweit, das Vertrauen ist aufgebaut und vielleicht wirken schon die ersten Glücksgefühle, wird unter einem Vorwand Geld gefordert. Der Mann ist auf Geschäftsreise in einem armen Land und benötigt dringend medizinische Hilfe und dafür natürlich ein wenig Geld. Die Frau hingegen, will sich unbedingt mit dir Treffen, um dich endlich in ihre Arme schließen und bei dir sein zu können, aber der Flug oder das Visum muss bezahlt werden.
Die ganze Masche nennt man heute Romance Scam. Früher bekannt als Heiratsschwindel. Fachlich nennt sich das Ganze einen Vorschussbetrug. Der Täter beteuert immer wieder, dass man ja dieses Geld umgehend zurückbekommt. Es wäre nur jetzt, in dieser Situation, von extreme, lebenswichtiger Bedeutung und für die gemeinsame Zukunft essentiell. Der Betrug endet auch nicht nach der ersten Zahlung. Hat man das liebesblinde Opfer erst einmal soweit, dass es Geld überweißt, treten immer neue Schwierigkeiten auf, die dem gemeinsamen Liebesglück im Wege stehen und man kann es solange auspressen, bis kein Geld mehr vorhanden ist. Und selbst dann ist der Betrug noch nicht beendet. Ist das Opfer willig, kann man es dazu bringen, sich Geld von der Bank zu leihen, die Lebensversicherung zu kündigen, sowie Freunde und Familie anzupumpen.
Geld, Geist, Seele
Fliegt der Betrug auf, ist der Schaden schon angerichtet. Nicht nur das Geld ist weg. Was viele Menschen nicht verstehen, ist die Tragweite dieser Betrugsmasche. Ich habe selbst schon eine solche Masche erlebt, wenn auch nur in einem kleinen Rahmen und im Unterschied zu den meisten Fällen im Internet, war meine Dame real und saß mir gegenüber. Scammen ist nämlich nichts anderes als eine Form des seit jeher bekannten Heiratsschwindel. Man wird umworben, bezirzt, um den Finger gewickelt und verführt. All das, um gefügig gemacht zu werden und später genügend zu bezahlen. Und genau da fehlt den Menschen, die so etwas noch nicht erleben mussten, dass Verständnis. Das erste, was man mich nämlich immer gefragt hat war „Hast du bezahlt“, „Wie viel wollte sie“, aber nicht einmal kam die Frage „Wie geht es dir jetzt“. Wir reden von Liebe. Von einem Menschen, der mit perfiden Tricks Gefühle und Hoffnungen weckt und missbraucht. Beginnen tut es wie bei jedem von uns, egal ob Männlein oder Weiblein, egal ob Hetero oder Homo. Man lernt jemanden kennen. Dieses Gegenüber zeigt wahres Interesse und mit jedem Kontakt steigt die Vertrautheit und die Zuneigung. Während beim Happyend die Zuneigungen beidseitig sind und real, sind sie dies beim Scammer oder Heiratsschwindler nicht. Aber auch dass ist im ersten Moment nicht klar. Denn das alles, was man fühlt, eine Lüge ist, erkennt man erst, wenn es zu spät ist. Dein Geist, dein Herz und deine Seele sind quasi emotional vergewaltigt worden. Man nennt so etwa emotionaler Missbrauch. Ganz ehrlich, ob ich gezahlt habe oder nicht ist im ersten Moment nicht das wichtige. Die Gefühle waren echt, der Abend mit ihr war echt, die Vertrautheit war echt, ihr Kopf an meiner Schulter war echt und der unglaublich lange Kuss war echt… die Bitte ihr aus der Klemme zu helfen war echt, ihre Tochter war echt, ihre Versprechen und sehnsüchtigen Betteleien nach weitern Treffen waren echt…
… ihre Lügen waren echt! Ihre Gefühle niemals!
Wenn man Glück hat, ist man so geistesgegenwärtig und zieht im richtigen Moment die Notbremse. Dann bleibt einem nur die Schmach darüber, dass man es nicht sofort erkannt hat und ein Scherbenhaufen an Gefühlen. Wenn nicht, gesellt sich zu dem Scherbenhaufen auch der finanzielle Verlust. Je nach dem, wie lange der Betrug unentdeckt bleibt, kann dieser mitunter erheblich sein. Allen möglichen Ausgängen gemein ist der Verlust des Vertrauens. Nicht nur in Singlebörsen, sondern auch in Menschen. Man wird sensibilisierter und zurückhaltender, vorsichtiger, wem man wann, welche Informationen mitteilt.
Sie liebt mich, sie liebt mich nicht.
Es kostet Überwindung es erneut zu versuchen und wieder in den Sattel zu steigen, aber man will ja nicht das restliche Leben allein verbringen. Und irgendwo, zwischen all den Fakeprofilen, Scammern und Bots (vom Anbieter genutzt, um einem bei der Stange zu halten), versteckt sich deine Traumfrau oder dein Traummann. Ja, es ist tatsächlich möglich, online den Menschen zu finden, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen will. Ich durfte bei einigen dieser Pärchen dabei sein, als sie sich das JA-Wort gaben und bin immer wieder hoch erfreut zu sehen, wie glücklich sie sind.
Die traditionellen Kontaktböresen Disco, Partys und das Büro haben noch lange nicht ausgedient, aber unser 2nd Life – unser Leben im Internet – holt auch in diesem Bereich weiter auf und ist längst salonfähig geworden. Nur sicher ist es nicht immer.
Das nächste mal…
Wie funktioniert das mit den Scammern?
Was schreiben diese?
Ich war so frei und habe mich einmal in ein solches Abenteuer gestürzt und es hier zusammengetragen: Singlebörsen – Scammer analysiert